Beiträge mit dem Schlagwort ‘Rechtsprechung’

Hinweisgeberschutzgesetz – Für wen gilt es und was ist zu beachten?

Erstellt am: Freitag, 16. Juni 2023 von Riethmann

Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) setzt der deutsche Gesetzgeber die sog. EU-Whistleblower-Richtlinie um. Das Gesetz tritt zum 02. Juli 2023 in Kraft.

Was ist das Ziel des Gesetzes?

 

Das HinSchG soll Personen schützen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden oder offenlegen. Hierdurch soll zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen beigetragen werden. Das Gesetz verbietet es, dass die hinweisgebende Person (sog. Whistleblower) mit Repressalien zu rechnen hat und verpflichtet daher Unternehmen, sichere Meldestellen für die Mitteilung von Missständen einzurichten.

 

Für wen gilt das Gesetz?

 

Das Gesetz ist verpflichtend für Unternehmen ab einer Größe von mindestens 50 in der Regel Beschäftigten.

Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten haben noch bis zum 17.12.2023 Zeit, die Vorgaben umzusetzen.

Unternehmen z.B. im Finanzdienstleistungsbereich sind unabhängig von der Zahl der Beschäftigten von dem Gesetz betroffen.

 

Welche Möglichkeiten der Meldung haben Hinweisgeber?

 

Hinweisgeber haben die Wahl, ob sie sich an eine interne Meldestelle des Unternehmens oder eine externe Meldestelle der Behörden wenden.

 

Welche Verstöße können gemeldet werden?

 

Nach § 2 HinSchG können Verstöße gegen Straf- und Bußgeldvorschriften sowie gegen ausgewählte Landes-, Bundes- und europarechtliche Vorschriften gemeldet werden.

 

In welcher Form müssen interne Meldungen erfolgen?

 

Das Gesetz schreibt vor, dass interne Meldekanäle Meldungen in mündlicher oder in Textform und auf Wunsch auch in persönlicher Form ermöglichen müssen.

Anonyme Meldungen müssen nicht zwingend, sollen aber ebenfalls ermöglicht werden.

 

Wer ist für die interne Meldestelle zuständig und welche Aufgaben hat diese?

 

Die Aufgabe als „Meldestellen-Beauftragte“ im Unternehmen können einzelne Personen oder auch eine Abteilung innehaben.

Die Meldestelle muss die Meldungen entgegennehmen, den Eingang der Meldung gegenüber der hinweisgebenden Person bestätigen, die Meldung prüfen, entsprechende Folgemaßnahmen in die Wege leiten und den Hinweisgeber über ergriffene Folgemaßnahmen informieren.

 

Hat die interne Meldestelle bestimmte Fristen zu beachten?

 

Der Eingang der Meldung muss gegenüber der hinweisgebenden Person innerhalb von 7 Tagen bestätigt werden.

Innerhalb von 3 Monaten muss die hinweisgebende Person über ergriffene Folgemaßnahmen informiert werden.

 

Wie werden Hinweisgeber geschützt?

 

Nach dem HinSchG sind sämtliche Repressalien gegenüber der hinweisgebenden Person verboten.

Die Meldestelle unterliegt unter anderem besonderen Vertraulichkeits- und Informationspflichten und hat die Datenschutzanforderungen zu wahren.

Bei Verstößen gegen das HinSchG drohen Bußgelder bis zu 50.000 €.

 

Sie haben Fragen zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes – wir beraten Sie gerne.

 

Weitere Informationen:

 

Herr Dr. Alexander Hess ist Rechtsanwalt bei Bendel & Partner an unserem Standort Würzburg und seit 2022 Partner der Kanzlei. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht berät er in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrecht. Des Weiteren berät er zu allen Fragestellungen des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie des Wirtschaftssozialrechts.

Die Haftung des GmbH – Geschäftsführers für Compliance – Verstöße

Erstellt am: Donnerstag, 9. Februar 2023 von Riethmann

Compliance – ein Stichwort, welches früher allenfalls Geschäftsleitern größerer Unternehmen und börsennotierter Aktiengesellschaften ein Begriff war, gewinnt nunmehr – auch in der forensischen Praxis – einen immer größeren Stellenwert.

In einem Urteil aus dem März 2022 hat das Oberlandesgericht Nürnberg erneut die Verpflichtung der Unternehmensleitung betont, ein Compliance Management System (CMS) zu etablieren und eine Geschäftsführerhaftung bei Fehlen eines solchen in den Blick genommen.

Im dem vom OLG Nürnberg entschiedenen Fall klagte ein Unternehmen der Mineralölindustrie, welches in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG organisiert war. Die Leitung der Komplementär-GmbH oblag dem Beklagten als Geschäftsführer.

Das Unternehmen gab an seine Kunden – Unternehmen mit größerem Fuhrpark – auf deren Antrag Tankkarten aus. Fahrer der Kunden konnten mit diesen Tankkarten und bei Eingabe der entsprechenden PIN in den von dem Unternehmen betriebenen Tankstellen bargeldlos tanken.

Alle Tankvorgänge für alle Tankkarten des jeweiligen Kunden wurden diesem sodann monatlich in Rechnung gestellt, wobei für die Kartenkunden jeweils ein Kreditlimit festgelegt wurde.

Bis zum Jahr 2006 wurde dabei die Einhaltung des Kreditlimits für ausgegebene Tankkarten und die jeweiligen Tankkartenkunden nicht kontrolliert.

Dies führte in der Vergangenheit dazu, dass zwei Kunden das ihnen eingeräumte Kartenlimit überzogen, was in letzter Konsequenz zu Forderungsausfällen führte.

Um diesem Missstand zu begegnen fasste der Beirat des Unternehmens im Jahr 2006 einen Beschluss über „beiratspflichtige Vorgänge“.

Dieser Beschluss hatte unter anderem zum Gegenstand, dass ungesicherte Tankkredite auf einen Betrag von 25.000 EUR begrenzt werden sollten; darüberhinausgehende Kredite sollten dem Beirat zur Genehmigung vorgelegt werden. Hierbei sah der Beschluss ein wöchentliches Reporting sowie Berichtspflichten durch Mitarbeiter des Controllings vor.

Sodann fanden im Jahr 2012 zweitägige Geschäftsführerschulungen statt, an denen jeweils auch der Beklagte teilnahm. Im Rahmen dieser Tagung wurden die Beschlüsse des Beirats sowie das zur Umsetzung der Beschlüsse notwendige Vier-Augen-Prinzip sowie die Pflichten eines Geschäftsführers im Rahmen des Mahnwesens erläutert.

In den Jahren 2012 und 2013 kam es zu Untreuehandlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Unternehmens, da dieser die Kreditkartenlimits der Kundenfirmen manipulierte, was letzten Endes zur verspäteten Geltendmachung offener Forderungen und in letzter Konsequenz zu Forderungsausfällen in sechsstelliger Höhe führte.

Diese Forderungsausfälle wurden unter anderem dadurch ermöglicht, dass das Vier-Augen-Prinzip seitens des Beklagten nicht eingehalten wurde.

das Unternehmen verlangte daher von dem Geschäftsführer als verantwortlichem Unternehmensleiter Schadensersatz in Höhe des Forderungsausfalls.

 

Verfahrensgeschichte

 

Sowohl das Landgericht Nürnberg – Fürth in der Ausgangsinstanz als auch das Oberlandesgericht Nürnberg in der Berufungsinstanz erachteten die Schadensersatzklage für begründet und verurteilten den Beklagten zu Schadensersatz in Höhe des Forderungsausfalls. Als Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzhaftung des Beklagten wurde § 43 Abs.2 GmbHG herangezogen. Dagegen wehrte sich der Geschäftsführer.

 

Rechtliche Würdigung des OLG Nürnberg

 

Dennoch blieb es bei einer Verurteilung des Geschäftsführers.

  • 43 Abs.2 GmbHG bestimmt, dass Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden haften. Zu den Obliegenheiten im Sinne der Vorschrift zählen vor allem die Geschäftsführerpflichten aus § 43 Abs.1 GmbHG, wonach die Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden haben.

Der Senat führt hinsichtlich der Geschäftsführerobliegenheiten im Zusammenhang mit der Etablierung eines Compliance Management Systems folgendes aus:

Aus der Legalitätspflicht folgt die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Einrichtung eines Compliance Management Systems, also zu organisatorischen Vorkehrungen, die die Begehung von Rechtsverstößen durch die Gesellschaft oder deren Mitarbeiter verhindern.

Dabei ist der Geschäftsführer nicht nur verpflichtet, den Geschäftsgang so zu überwachen oder überwachen zu lassen, dass er unter normalen Umständen mit einer ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen kann; er muss vielmehr weitergehend sofort eingreifen, wenn sich Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten zeigen.“

 

Fazit

 

Der 12. Zivilsenat des OLG Nürnberg erhebt mit diesem Urteil die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Einrichtung eines Compliance Managements Systems (CMS) zu einer Geschäftsführerobliegenheit, deren Verletzung zu Schadensersatzpflichten des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft führen kann.

 

Sie haben Fragen im Bereich Compliance Management System oder Fragen zur Geschäftsführer – / Vorstandshaftung?

Wir beraten Sie gerne.

 

Weitere Informationen:

 

Herr Daniel Kossmann ist Rechtsanwalt bei Bendel & Partner an unserem Standort Würzburg. Herr Kossmann berät in allen Fragen des Handels- und Gesellschaftsrechts.

 

Neues zum Urlaubs(abgeltungs)anspruch

Erstellt am: Freitag, 3. Februar 2023 von Riethmann

Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zum Urlaubsanspruch reißen nicht ab.

Nachdem das Bundesarbeitsgericht Ende 2022 entschieden hatte, dass der Urlaubsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht verjähren kann, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht ausreichend nachkommt, bestand vielfach die Befürchtung, dass jahrelang gesammelter, nicht genommener Urlaub des Altarbeitgebers abzugelten sei.

Dem hat das Bundesarbeitsgericht mit seiner Entscheidung vom 31.01.2023, 9 AZR 244/20 eine Absage erteilt und festgestellt, dass der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, nach Maßgabe einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen kann.

Die Gefahr, mit nicht genommenen Urlaubsansprüchen ausgeschiedener Mitarbeiter konfrontiert zu werden, dürfte durch die Entscheidung gebannt sein.

 

Sie haben Fragen rund um Urlaubsansprüche – wir beraten Sie gerne.

 

Weitere Informationen

 

Herr Dr. Alexander Hess ist Rechtsanwalt bei Bendel & Partner an unserem Standort Würzburg und seit 2022 Partner der Kanzlei. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht berät er in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrecht. Des Weiteren berät er zu allen Fragestellungen des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie des Wirtschaftssozialrechts.

Keine bauablaufbezogene Darstellung: Kein Schadensersatz wegen Behinderungen!

Erstellt am: Montag, 30. Januar 2023 von Riethmann

OLG Stuttgart, Urteil vom 17.03.2020, Az.: 10 U 310/19; Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH mit Beschluss vom 26.01.2022 – VII ZR 51/20 zurückgewiesen

 

Immer wieder scheitern Klagen, in denen Schadensersatz wegen Behinderungen des Bauablaufs geltend gemacht wird, an der unzulänglichen Darstellung des Bauablaufes. Die erfolgreiche Durchsetzung setzt nämlich eine möglichst lückenlose Dokumentation voraus.

Macht der Auftragnehmer Ansprüche wegen Störungen des Bauablaufes geltend, hat er zunächst darzulegen, wie der ursprüngliche Bauablaufplan aussah und durch welche Ereignisse es wann zu welcher konkreten Behinderung aus der Sphäre des Auftraggebers kam. Des Weiteren hat er darzustellen, wann die Behinderung angezeigt wurde und wie der Auftraggeber hierauf reagierte. Im Prozess hat der Auftragnehmer schließlich zu beweisen, wie sich die Behinderung zeitlich auf den weiteren Bauablauf ausgewirkt hat und weshalb die eingetretene Störung bzw. Verzögerung von ihm nicht kompensiert werden konnte.

Der BGH hat hierzu wiederholt entschieden, dass es dem Auftragnehmer zuzumuten sei, eine aussagekräftige Dokumentation zu erstellen, aus der sich die Behinderung sowie deren Dauer und deren Umfang und die hieraus resultierenden Folgen für den Bauablauf ergeben.

 

Praxistipp: Der Auftragnehmer sollte schon während der Baumaßnahme dokumentieren, wann die vom Auftraggeber zu vertretende konkrete Behinderung in der Ausführung anstehender Arbeiten auftrat, wann er diese Behinderung dem Auftraggeber angezeigt hat, wie lange sie andauerte, wie sich die Behinderung auf den Bauablauf konkret ausgewirkt hat und welche Kompensationsleistungen erbracht wurden.

 

Weitere Informationen:

 

Herr Johannes Hofmann ist Rechtsanwalt bei Bendel & Partner an unserem Standort Würzburg. Als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht berät er in allen Fragestellungen zum Privaten Baurecht sowie zum Architektenrecht und Ingenieurrecht. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt dabei im Bauträgerrecht und Maklerrecht. Daneben berät Herr Hofmann auch im Vereinsrecht.

Verbraucherbauvertrag und (noch) kein Ende

Erstellt am: Donnerstag, 26. Januar 2023 von Riethmann

OLG Brandenburg, Urteil vom 10.11.2022 – 12 U 69/22

Ein Verbraucherbauvertrag liegt nach einer aktuellen Gerichtsentscheidung nur vor, wenn der Auftragnehmer mit der Errichtung des gesamten Gebäudes oder erheblichen Umbaumaßnahmen und nicht nur mit einem Teil davon beauftragt wird, der Bau also „aus einer Hand“ erfolgt.

Ein Werkvertrag über Fassadenarbeiten ist demnach kein Verbraucherbauvertrag.

Das hat zur Folge, dass dem Auftraggeber auch kein Widerrufsrecht nach §§ 650l, 355 BGB zusteht. Im entschiedenen Fall ging der Auftraggeber davon aus, dass ihm ein Widerrufsrecht zusteht. Das Gericht lehnte dies ab und legte den erklärten Widerruf als freie Kündigung aus, was zu erheblichen Vergütungsansprüchen des Auftragnehmers führen kann. Denn im Fall einer freien Auftraggeberkündigung kann der Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen verlangen.

Die Abgrenzung, wann im Einzelfall ein Verbraucherbauvertrag vorliegt, war bereits mehrfach Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen, wobei bislang zwei gegenläufige Auffassungen vertreten wurden. Die Problematik liegt nunmehr dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor, sodass dieser die Chance hat, zu dem Thema Klarheit zu schaffen.

 

Praxistipp: Sofern der Auftraggeber den Widerruf des geschlossenen Vertrages erklärt, weil er davon ausgeht, dass ein Verbraucherbauvertrag vorliege, sollte vom Auftragnehmer genau geprüft werden, ob das tatsächlich der Fall ist. Wenn die Widerrufserklärung als freie Auftraggeberkündigung zu verstehen ist, können diesem auch hinsichtlich der noch nicht erbrachten Leistungen Vergütungsansprüche zustehen.

 

Weitere Informationen:

 

Herr Johannes Hofmann ist Rechtsanwalt bei Bendel & Partner an unserem Standort Würzburg. Als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht berät er in allen Fragestellungen zum Privaten Baurecht sowie zum Architektenrecht und Ingenieurrecht. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt dabei im Bauträgerrecht und Maklerrecht. Daneben berät Herr Hofmann auch im Vereinsrecht.